Gehen wir gleich mitten hinein ins Thema. Definition von Sexualität: Sex ist, wenn die Frau den Mann nicht nur in Schwingung versetzt, sondern, wenn sie diesen und diese Schwingung dann auch konsumiert. Krass gesagt, nicht wahr! Ja, die Frau muss dazu kommen, den Mann und seine Energie, seine Erregung so richtig zu konsumieren. Sonst ist der Sex im vollen Sinn des Wortes auf der Strecke geblieben.
Vor Jahrzehnten bin ich mal von einem TZI-Training von München nach Hause gefahren, und da haben wir auch darüber geredet. Sie sagte: „Schlimm ist, das der Mann die Frau als Lustobjekt betrachtet.“ Ein Jahrtausend war das so. Ich schlage vor, dass wir diese Formel mal für ein paar hundert Jahre umkehren: Der Mann ist das Lustobjekt der Frau.
Sexuelle Praxis ist demnach wie eine Ausfahrt mit dem Mercedes-Cabriolet an einem schönen Sonntag Nachmittag über’s Land, oder auch in die Berge. Und der Mann stellt bei diesem Gleichnis den Motor dar, und die Frau sitzt am Steuer. In den asiatischen Traditionen von Tao und Tantra weiss man das schon Jahrhunderte. An Stelle einer Definition könnte man auch fragen: „Um was geht es beim Sex?“. Das ist einfacher zu beantworten: Es geht um die Erektion des Mannes und um die Befriedigung der Frau. Natürlich höre ich jetzt gleich Stimmen: „Ja, und was ist mit der Befriedigung des Mannes?“ Für den Mann gibt es zwei Stufen von Befriedigung, eine oberflächliche und eine tiefere. Die oberflächliche ist bekannt: Orgasmus. Die tiefere jedoch hängt von der Frau ab. Wenn die Frau eine volle Befriedigung bekommen hat, dann ist der Mann tief befriedigt. Darum – Sex dreht sich um die Befriedigung der Frau. Beide, Frau und Mann müssen das wissen und anerkennen. Auch wenn der Mann in der sexuellen Praxis der Aktive ist, so muss die Frau der Chef sein. Sie muss das Sagen haben. Das ist vielleicht schwer. Aber es ist absolut notwendig. Die Frau muss im besten Sinne des Wortes egozentrisch sein. Sie muss wissen, dass es auf ihre Lust, ihre Erregung ankommt. Alle Formen von Sex, wo die Frau sich opfert, weil der Mann „es“ ja so braucht, sind vorläufig. Das ist auch in Ordnung, aber vorläufig. Und da kann es keinen Druck geben. Es nützt gar nichts, wenn er sie bedrängt, sie sollte Lust fühlen, einen Orgasmus haben. Auch wenn sie sich selber unter Druck setzt. Natürlich kann auch ein Bisschen Technik helfen, aber vor allem folgt die Lust auf die Liebe. Und die Hierarchie muss klar sein. Die Beiden könnten im Gespräch abmachen, dass der Mann das sexuelle Spielzeug der Frau ist, oder der sexuelle Diener, jedenfalls das Lustobjekt.
Nun gibt es da eine Schwierigkeit: Ich besitze auch ein kleines Buch zu diesem Thema mit dem Titel: „Vom Nehmen und Genommen-Werden“. Jaa! Es könnte ja sein, dass sie Lust hat genommen zu werden. Dann haben die Beiden die schwierige Aufgabe, auch darüber im Gespräch Klarheit zu schaffen. Jedenfalls, es geht um die Befriedigung der Frau. Die oberflächliche Befriedigung des Mannes ist ja kein Problem, die ist ja machbar.
Von Natur aus ist Sex der Wendepunkt: vorher ist es erotisch und nachher ist es Mutter-Vater-Stimmung. Dann ist es nicht mehr das Gleiche. Während Jahrhunderten kam nach der Hochzeit die wunderbare Zeit der Liebe, und dann kamen die Kinder. In der erotischen Welt ist der Mann auf die Frau angewiesen und in der Mutter-Vater-Welt ist die Mutter auf den Vater angewiesen. Nun haben wir heute Knaus-Ogino und Antibaby-Pille. Damit kann man dafür sorgen, dass Sex nicht der Wendepunkt ist, sondern dass die erotische Phase immer weiter geht, so scheint es. Aber das ist wohl ein Irrtum: Auch wenn sie nicht Mutter-Vater werden, dann macht die erotische Energie doch eine Alterung, eine Veränderung durch. Auch so ist es mit der Zeit nicht mehr das Gleiche.
Gehen
wir noch einmal zurück. Am Anfang war das Erotische. Ich kann das gut am
Tagesablauf einer jungen Frau darstellen:
— Sie steht am Morgen vor dem Spiegel, macht sich schön. Das ist die
Vorbereitungsphase.
— Dann geht sie durch die Strasse der noblen Geschäfte. Sie hat sich wirklich
schön gemacht, wirklich begehrenswert. Bert Hellinger sagte: Es ist, als hätte
sie vorne eine Tafel wo drauf steht: „ich suche einen Mann“. – Und schon kommt einer auf Sie zu:
„Hallo, da bin ich ! !“ Und
schon dreht sie sich um, und läuft weg. Und es ist, als hätte sie hinten auch
eine Tafel, wo drauf steht: „Aber nicht dich, du Sauhund!“ Das ist
die Distanz-Phase.
— Am Abend schläft sie dann mit einem Mann. Das ist die Nähe-Phase.
Dieses Drei-Phasen-Model illustriert sehr schön die erotische Welt. Frau versetzt Mann in Schwingung, in Vibration. Sie möchte begehrt werden. Aber sie darf nicht billig zu haben sein. Das ist Ur-Natur. Bei den Herden-Tieren gibt es vor dem Sex lange Kämpfe, wo die Böcke unter sich ausmachen müssen, wer die Weibchen bekommt. Bei den Einzelgänger-Tieren spielt das Weibchen selbst diese Rolle. Zum Beispiel bei den Mardern. Oder bei den Igeln: Da kann das Männchen bis zu 24 Stunden mit dem Weibchen kämpfen, bis sie Sex zulässt.

Man
könnte sagen, die Sexualität des Mannes ist eindimensional. wie dieser Pfeil

Die Sexualität der Frau ist komplex, die diese zwei Pfeile:
Die Beiden haben nun die schwere Aufgabe diese Natur der Dinge zu verstehen und zu akzeptieren. Es kann nicht anders sein. Und wir können dieses Problem auch gleich bei den Hörnern packen, indem wir Männer den Frauen zugestehen, dass sie im Sex das Sagen haben.
Im Tantrischen oder im Tao-Sex sind natürlich auch Männer beschrieben, die sich eine Stunde in der Frau bewegen können, mit enormer Liebe. Tausend liebende Stösse und mehrere Begeisterungstürme im Laufe einer Stunde. Die Frau wird mit so viel Liebe überschüttet, bis sie zutiefst befriedigt ist. Dazu braucht es aber besonders weit entwickelte Männer. In dem nüchternen Buch von Klaus Heer „Was ist guter Sex?“ stehen ganz andere Dinge: Statistiken zeigen, dass es beim Durchschnittsschweizer etwa zwei-ein-halb Minuten geht, wenn er in die Frau eingedrungen ist, dann stolpert er schon über die Passhöhe und dann geht’s bergab. Tschuldigung, ich glaube, ich bin ein Durchschnittschweizer. In vielen Zeitungen – für die jungen Leute schon im Bravo-Heftli – stehen einfach verrückte Idealismen. Die bringen Vorstellungen und Identifikationen hervor, welche nur Frust machen. Johannes 2020